Schmerzensgeld
Leider bleibt es bei einem Verkehrsunfall nicht immer bei bloßen Sachschäden. Im zurückliegenden Jahr 2016 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mehr als 300.000 Verkehrsunfälle mit Personenschäden. Etwa 3.300 Menschen wurden bei Verkehrsunfällen getötet.
In diesen Fällen ist die Zahlung von Schadensersatzansprüchen nicht auf die Regulierung reiner Sachschäden begrenzt. Der Geschädigte erhält vielmehr auch einen angemessenen Ausgleich für seinen immateriellen Schaden.
Auch Angehörige eines getöteten Verkehrsteilnehmers können unter Umständen Schmerzensgeldansprüche geltend machen.
Das Wichtigste
- Nach einem Unfall können verletzte Personen ein Schmerzensgeld verlangen.
- Voraussetzung ist eine Verletzung des Körpers oder der Gesundheit.
- Die Verletzung darf nicht nur ganz unerheblich sein. Bagatellschäden lösen keinen Anspruch auf Schmerzensgeld aus.
- Das Schmerzensgeld erfüllt zwei Funktionen: die Ausgleichsfunktion und Genugtuungsfunktion.
- Dabei werden zum Beispiel berücksichtigt: Art und Schwere der Verletzung, Verschulden des Schädigers und das Verhalten des Schädigers anlässlich der Schadensregulierung.
- Schmerzensgeldansprüche gehen auf die Erben über.
- Schmerzensgeldansprüche werden auf Sozialleistungen nicht angerechnet.
Wann steht mir ein Schmerzensgeldanspruch zu?
Was sind aber nun die Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch?
Das Gesetz sieht vor, dass insbesondere bei einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden kann.
Gut zu wissen:
Schmerzensgeld wird auch in Fällen der Gefährdungshaftung geschuldet. Insbesondere haften Halter und Fahrer eines Kraftfahrzeuges nach dem Straßenverkehrsgesetz auch auf Schmerzensgeld. Diese haften selbst dann, wenn sie ohne ein Verschulden in einen Unfall geraten sind.
Wir werden uns hierbei auf Schädigungen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr beschränken. Der Anspruch auf Schmerzensgeld gilt aber darüber hinaus auch in einer Vielzahl anderer Situationen, wie zum Beispiel auch bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Medien.
Verletzung des Körpers oder der Gesundheit
Es muss also eine Verletzung des Körpers oder der Gesundheit vorliegen.
Hierunter sind alle nicht völlig unerheblichen Störungen der körperlichen oder geistigen Lebensvorgänge zu verstehen.
Eine Gesundheitsverletzung liegt vor, wenn ein krankhafter Zustand vorübergehend oder dauerhaft hervorgerufen oder gesteigert wird.
Die Verletzung des Körpers oder der Gesundheit muss also medizinisch feststellbar sein. Bloße Befindlichkeitsstörungen fallen nicht unter den Begriff der Körper- oder Gesundheitsverletzung.
Praxisbeispiel:
Im Rahmen des Straßenverkehrs können eine Vielzahl an Verletzungen verursacht werden:
- Schnittwunden,
- Prellungen,
- Schleudertrauma oder
- Knochenbrüche.
Geringfügigkeit
Auch wenn das Gesetz eine Geringfügigkeitsgrenze nicht ausdrücklich vorsieht, versagen die Gerichte bei nur ganz kurzfristigen oder unerheblichen Beeinträchtigungen des Verletzten das Schmerzensgeld.
Hierunter fallen etwa:
- leichte Prellungen,
- leichte Blutergüsse,
- geringfügige Platz- oder Schürfwunden oder
- Anspritzen mit Schmutzwasser einer Pfütze.
Expertentipp:
Versicherungsgesellschaften kommen naturgemäß häufig zu dem Schluss, ein Geschädigter sei nur geringfügig verletzt worden und verweigern Schmerzensgeldzahlungen ganz oder versuchen diese möglichst klein zu halten. Lassen Sie sich hier nicht zu schnell ins Bockshorn jagen! Suchen Sie fachkundigen Rat und lassen Sie klären, ob Ihre Verletzung tatsächlich unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze liegt.
Schleudertrauma
Wegen des bei Verkehrsunfällen besonders häufig auftretenden Schleudertraumas lesen Sie unseren weiterführenden Artikel zum Schleudertrauma.
Wie hoch ist mein Anspruch auf Schmerzensgeld?
Das Gesetz sieht eine „billige Entschädigung in Geld“ vor.
Um diesen etwas sperrigen Ausdruck mit Inhalt zu füllen, hat die Rechtsprechung nach dem Zweck des Schmerzensgeldes zwei Funktionen festgelegt, namentlich die Ausgleichsfunktion und die Genugtuungsfunktion.
Diese Funktionen des Schmerzensgeldes werden herangezogen, um die Höhe des Anspruches auf Schmerzensgeld zu bestimmen.
Ausgleichsfunktion
Die erlittenen Schmerzen und Leiden des Verletzten sollen jedenfalls teilweise durch eine Geldleistung ausgeglichen werden. Hiermit kann sich der Verletzte gegebenenfalls Dinge leisten, um die eingetretenen Leiden zu mildern, die er sich ansonsten nicht hätte leisten können oder wollen.
Die Ausgleichsfunktion hat hierbei die verletzte Person im Blick. Hierbei können etwa nachstehende Faktoren bedeutsam werden:
- Ausmaß und Schwere der Verletzungen,
- wie lange haben Leiden angedauert,
- bleiben Langzeitfolgen,
- wie lange dauerte eine Arbeitsunfähigkeit,
- wie lange dauerte die ärztliche Behandlung, insbesondere im Krankenhaus,
- gab es Beeinträchtigungen der privaten Lebensführung. Konnte z.B. kein Sport betrieben werden oder ähnliches oder
- die Absage eines geplanten Urlaubs.
Es können aber auch Umstände in der Sphäre des Verletzten vorliegen, die den Anspruch auf Schmerzensgeld mindern.
Hier ist insbesondere ein Mitverschulden des Verletzten zu nennen.
Hat der Geschädigte durch ein eigenes Verhalten zu der Schadensentstehung beigetragen, wird dies als Minderungsgrund angemessen berücksichtigt. Der Anspruch auf Schmerzensgeld wird also nicht quotenmäßig verringert, sondern es wird im Rahmen der Abschätzung des erforderlichen Schmerzensgeldbetrages eine entsprechende Minderung vorgenommen.
Hat also ein Unfallbeteiligter den Unfall mitverursacht und wird sein Verschuldensanteil mit einem Drittel angesetzt, wird nicht einfach der Schmerzensgeldbetrag um ein Drittel verringert.
Genugtuungsfunktion
Dem Verletzten soll Genugtuung für die ihm beigebrachte Verletzung erhalten. Hier kommt es also auf das Verhalten des Schädigers an.
Umstände, die hier Auswirkungen haben wären zum Beispiel:
- Verschuldensgrad des Schädigers, insbesondere bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit,
- wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schädigers,
- erheblich verzögerte Regulierung durch die Versicherung des Schädigers, obwohl die Haftungslage eindeutig ist, oder
- wahrheitswidrige Angaben des Schädigers, die zu einem langwierigen Rechtsstreit führen.
Eine Bestrafung des Täters durch eine Geldstafe oder Freiheitsstrafe mindert den Anspruch auf Schmerzensgeld nicht.
Die konkrete Höhe des Schmerzensgeldes wird sodann aus der Gesamtschau der herangezogenen Faktoren der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion ermittelt.
Schmerzensgeldtabellen
Das festgesetzte Schmerzensgeld muss der Billigkeit entsprechen. Das bedeutet, es sollen für vergleichbare Verletzungen auch ähnliche Beträge als Schmerzensgeld festgesetzt werden.
Um die überaus schwierige Festlegung der konkreten Höhe des Schmerzensgeldes zu vereinfachen, kann man zu den hierzu herausgegebenen Schmerzensgeldtabellen greifen.
In diesen sind zahlreiche Gerichtsurteile, geordnet nach Art der Verletzung, aufgeführt. Diese Urteile sind aber häufig schon recht alt, so dass eine entsprechende Anpassung des Schmerzensgeldbetrages an die heutigen Verhältnisse vorgenommen werden muss.
Gut zu wissen:
Eine kurze Schmerzensgeldtabelle des OLG Celle finden Sie hier.
Die IMMDat Schmerzensgeldtabelle des C.H. Beck-Verlages finden Sie hier.
Hier ist allerdings Vorsicht geboten!
Die Schmerzensgeldtabellen stellen immer nur eine erste Übersicht und Anregung dar. Sie können selbstredend den konkreten Einzelfall nicht erfassen und dessen Besonderheiten bleiben unberücksichtigt.
Vor allen Dingen aber sind in den Tabelle ausschließlich Urteile verzeichnet. Gerade bei höheren Schmerzensgeldbeträgen scheuen die Versicherungsgesellschaften aber den Erlass von Urteilen. Kommt es zu einer außergerichtlichen Einigung oder einem gerichtlichen Vergleich, tauchen diese in den Schmerzensgeldtabellen nicht auf.
Expertentipp:
Wie Sie sehen, ist die Ermittlung der Schmerzensgeldhöhe schwierig und erfordert umfassende Sachkenntnisse. Selbst wenn Sie einen - vermeintlich - gleichgelagerten Fall finden, können immer noch besondere Umstände bei Ihnen vorliegen, die eine andere Höhe des Schmerzensgeldes ergeben. Versuchen Sie daher nicht, diese Forderung auf eigene Faust durchzusetzen, sondern begeben Sie sich in fachkundige Beratung.
Schmerzensgeldrente
Bei schwerwiegenden Dauerschäden, wie zum Beispiel schweren Hirnschäden, Querschnittslähmung oder ähnlichem kommt neben einem Schmerzensgeld als Einmalzahlung eine Schmerzensgeldrente in Betracht. In diesen Fällen wirken die Lebensbeeinträchtigungen durch die Veretzung immer wieder neu. Außerdem muss sich der Verletzte gegebenenfalls immer wieder in ärztliche Behandlung begeben, was häufig mit weiteren Schmerzen verbunden ist.
Diese Rente kann neben oder an Stelle der Einmalzahlung festgesetzt werden. Der Kapital- und der Rentenbetrag müssen aber in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Zudem muss der Gesamtbetrag eine billige Entschädigung darstellen. Der Gesamtbetrag muss also seinerseits angemessen sein.
Schockschaden
Ein Schmerzensgeld wird nur geschuldet, wenn der Verletzte selbst einen Schaden erlitten hat. Eine mittelbare Betroffenheit ist nicht ausreichend.
Wer wegen Verletzung oder Tötung einer anderen Person unter Schock steht, kann hierfür ein Schmerzensgeld nur unter sehr engen Voraussetzungen verlangen.
Verletzung naher Angehöriger
Nur bei Verletzung oder Tötung naher Angehöriger kommt ein Schmerzensgeld in Betracht. Das sind etwa die Kinder oder Eltern, Ehegatten oder Lebenspartner oder Partner einer sonstigen Liebesbeziehung.
Schwere Beeinträchtigung
Es muss zu einer besonders schwerwiegenden Beeinträchtigung gekommen sein. Diese muss zum einen deutlich über das übliche Maß hinausgehen und zum anderen medizinisch feststellbar, also krankhaft sein.
Ausreichender Anlass
Der erlittene Schock muss auch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Schadensereignis stehen. Das ist bei erheblicher Verletzung eines nahen Angehörigen der Fall, wobei der Geschädigte den Unfall nicht selbst miterlebt haben muss.
Bloßer Sachschaden oder die Tötung eines Haustieres reichen aber nicht aus.
Vererblichkeit
Der Anspruch auf Schmerzensgeld ist in vollem Umfang vererblich.
Wird also ein Beteiligter bei dem Unfall getötet, können dessen Angehörigen seinen Schmerzengeldanspruch geltend machen.
Hierbei wird das Schmerzensgeld nicht dadurch geringer, dass der Geldbetrag nicht mehr dem Getöteten, sonderen dessen Hinterbliebenden zugute kommt.
Wurde der Unfallbeteiligte indes bei dem Unfallereignis auf der Stelle getötet, entfällt ein Anspruch auf Schmerzensgeld. Der Getötete hat in diesem Falle nämlich tatsächlich keine Schmerzen mehr gelitten. Es ist also auf die Dauer abzustellen, die der Verletzte noch gelebt hat, bevor er seinen Verletzungen erlegen ist.
Anrechnung auf Sozialleistungen
Schmerzensgeld wird nicht auf das Arbeitslosengeld 2 oder Sozialhilfe angerechnet.
Ein Verletzter muss auch nicht zunächst das Schmerzensgeld aufbrauchen, bevor er Sozialleistungen beziehen kann. Diese Anrechnung würde eine unbillige Härte darstellen.
Das gleiche gilt für die Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe. Auch hier wäre eine Anrechnung eine unbillige Härte.
Praxisbeispiele:
- Bei Verletzungen der Halswirbelsäule werden Schmerzensgelder regelmäßig zwischen 250,00 Euro und 5.000,00 Euro festgesetzt.
- Für einen Oberschenkelbruch können üblicherweise 2.000,00 Euro in einem leichteren Fall und bis zu 12.000,00 Euro in schwereren Fällen (Trümmerbruch) verlangt werden.
- Bei einem leichten Schockschaden können 750,00 Euro gefordert werden, bei einem sehr schweren Schockschaden bis zu 15.000,00 Euro.
Expertentipp:
Die Ermittlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sollten Sie stets von einer fachkundigen Stelle durchführen lassen. Es spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, die schwer zu überblicken sind. Es droht Ihnen ein erheblicher Geldverlust, wenn Sie hier die Regulierungsabwicklung selbst vornehmen.
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